Keine Frage: Subskriptions-Lösungen bieten völlig neue Möglichkeiten, Geschäftsmodelle zu innovieren und an die Forderungen von Kundenwünschen sowie Marktbedürfnissen im Digitalzeitalter anzupassen. Subskription ist aber vor allem auch Treiber von innovativ-dynamischen Digital Services und erlaubt hohe Innovations- und Transformations-Geschwindigkeit im Hinblick auf digitale, datenbasierte Services.
Tom Oelsner, Head of Digital Innovation & Data Science at Heidelberg Digital Unit — dem prämierten ‚Innovationslabor’ der Heidelberger Druckmaschinen AG, erläutert im Gespräch, was in den letzten 12 Monaten realisiert wurde: Performance Advisor Technology (kurz: PAT), ein neues System auf Basis Künstlicher Intelligenz. Ich wollte wissen, was sich dahinter verbirgt.
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Status quo der Digital Services bei Heidelberg
Die Heidelberg Cloud umspannt aktuell 18.000 Maschinen und 25.000 Prinect-Module. Ca. 3.000 Systeme kommen pro Jahr dazu aus Sheetfed, CTP, Postpress etc. Der Heidelberg Assistant bildet dabei das Fenster zur Cloud. Kunden nehmen das sehr gut an, inzwischen aus rund 20 Ländern mit über 2.000 Nutzern. Der Fokus liegt jetzt darauf, neue Digital Services zu entwickeln und zu integrieren. Das modular aufgebaute Heidelberg Subscription-Modell mit der Maßgabe, die Performance signifikant steigern zu können, ist hierbei der Treiber.
Best Performance wird möglich, wenn zum einen eine maximale Verfügbarkeit der Maschinen gegeben ist, inkl. Repair Services, Predictive Monitoring, E-Call. Das ist gesetzt. Hinzukam, dass im Rahmen von Smart Supply mit E-Commerce-Angeboten nun das Vendor Managed Inventory möglich ist. Also die lieferantengestützte Lagerverwaltung von Verbrauchsmaterialien im Rahmen einer Subskriptionsvereinbarung. Zudem wichtig: Best Performance wird messbar durch Benchmarks.
Dahinter steht praktisch die Wette, dass Heidelberg die OEE (Overall Equipment Effectiveness) steigern kann. Heidelberg Consultants können dies in der Due Diligence exakt berechnen und belegen, bevor ein Vertrag geschlossen wird. Im Rahmen des Subscription-Vertragsmodells liefert der Heidelberg Assistant dann valide Daten mit allen wichtigen KPIs und Vergleichsmöglichkeiten.(Siehe hierzu auch unsere Praxisberichte, z.B. zu Bertelsmann, Schumacher Packaging und Klampfer Druck).
Sie zünden bei Digital Services eine neue Stufe. Auf Basis künstlicher Intelligenz. Wie ist der Stand der Dinge?
Tom Oelsner: Zwei Dinge kommen zur drupa 2020 neu hinzu:
1. Wir setzen das Heidelberg Performance Benchmarking neu auf. Bisher haben wir Maschinen gleicher Bauart in ihrer Leistung als Benchmark verglichen. Das war für den Kunden in einem konkreten Produktionssegment manchmal nicht aussagekräftig genug, denn ein Verpackungsdrucker erzielt einen anderen OEE als ein Werbedrucker, auch wenn Maschinen sich ähneln. Ab jetzt vergleichen wir im Benchmarking Jobprofile nach verschiedenen Kriterien und ordnen die Produktion eines Kunden 256 verschiedenen Clustern zu. Kunden erhalten damit mehrere Benchmark-Anhaltspunkte und konkrete Verbesserungsvorschläge, die exakt auf das spezifische Job-Profil passen. Die Integration in den Heidelberg Assistant bietet dem Kunden dabei einen intuitiven Zugang zum Benchmarking.
2.Wir optimieren die Performance-Beratung durch künstliche Intelligenz, insbesondere im Hinblick auf die steigende Nachfrage nach Performance-Beratung durch unsere Kunden. Bereits heute haben wir in der Heidelberg Cloud 5.000 Sheetfedmaschinen angeschlossen, die der Logik der künstlichen Intelligenz über 50 Millionen Make-Ready-Informationen bereitstellen.
Was verstehen Sie unter Perfomance-Beratung?
Tom Oelsner: Für unsere Berater ist es wichtig, zu erkennen, wie entwickelt sich der Kunde und wie steht er im Benchmark dar. Die Ergebnisse müssen anschaulich darstellbar sein und werden turnusmäßig mit dem Kunden besprochen, um daraus Tipps/Handlungsanleitungen zur Performance-Steigerung bis hin zu Skaleneffekten entwickeln zu können. Skalierung erhöht aber die Komplexität enorm, es gibt viel mehr in kürzester Zeit zu erfassen und blitzschnell zu bewerten. Deswegen müssen wir neue Wege einschlagen. Wir wollen eben nicht darin verharren, mögliche OEE-Perfomance-Effekte zu visualisieren, sondern sie aktiv herbeiführen.
Sprich, bei rasant steigenden Skalierungseffekten hinkt das Wissen hinterher?
Tom Oelsner: So wie die Robotik die Automatisierung von mechanischen Fertigungsprozessen revolutioniert hat, so wird künstliche Intelligenz bei kognitiven Arbeiten wie der Beratung zum Einsatz kommen und Skaleneffekte auslösen. Aus meiner Sicht kommt es auf den richtigen Mix, das Zusammenspiel von Mensch und Digitaltechnik an. …
… und das heißt konkret?
Tom Oelsner: Die Heidelberg Cloud erhält eine neue Komponente auf Basis künstlicher Intelligenz. Diese KI heißt bei uns PAT — Performance Advisor Technology. Das heißt, der in der Cloud verankerte Roboter resp. Rechner beobachtet und analysiert Trends unter Zugriff auf Benchmarks auf Basis von 50 Millionen hinterlegten Druckjobs.
Sie haben quasi eine Instanz in der Heidelberg Cloud geschafften, die Muster verfolgt und auswertet?
Tom Oelsner: Ja, und zwar als eine lernende Instanz.Um die Wirkungsweise von PAT vereinfacht zu erklären, nutzen wir ein Modell. Es umfasst fünf ‚Bubbles‘, die einen Kreislauf bilden:
Beobachte das Muster im zeitlichen Verlauf und im Benchmark-Cluster
Expertenregel löst eine Empfehlung aus
Die empfohlene Aktion wird angewendet
Beobachte die Auswirkungen auf Muster UND erhalte Benutzerfeedback
Verbessere die Regeln
Vereinfachtes Darstellungs-Modell zur Wirkungsweise von PAT — Performance Technology Advisor. Bis zur drupa 2020 befindet sich PAT noch im Trainingsmodes. Quelle. Heidelberg
Könnte Sie das kurz und verständlich erläutern?
Tom Oelsner:Wir sind mit Regeln gestartet, die von Experten zusammengestellt wurden, und die sozusagen die Startmasse für die KI-Maschine bilden. Wenn aus all den Datenströmen, die wir in der Cloud verfügbar haben, durch die KI ein Muster als gültig erkannt wird in einem Problemfeld, dann schlägt das System Maßnahmen vor.
Dabei geht es zunächst nicht um KI, sondern die Anwendung eines Regelwerks. Entscheidend ist nun, zu beobachten und zu überprüfen ob und wie die empfohlene Regel angewendet wird. Das macht zum einen PAT, zum anderen kann der Kunde im Heidelberg Assistant sein Feedback geben — z. B. was hat es gebracht etc., quantitativ oder qualitativ. Dadurch reichern sich Wissen und Erkenntnisse an. Je häufiger der Kreislauf durchschritten wird, umso mehr kann die KI lernen.
Sie trainieren also das KI-System zum Lernen?
Tom Oelsner: Genau. Im fünften Bubble ‚Verbessere die Regeln‘ findet der eigentlich KI-Schritt statt. Aus dem Vorschlag und der Anwendung entsteht eine Verbesserung der Handlungsempfehlung. Insofern agieren wir vergleichbar wie in einem neuronalen Netzwerk. Je mehr Interaktionen zwischen Mensch und Maschine stattfinden, umso besser werden die Gewichtungen. Das geschieht nicht von heute auf morgen. Wir sind auf absehbare Zeit noch in einem Trainingsmodus.
Wie überprüfen Sie, ob das im Ansatz angenommen wird resp. funktionieren kann?
Tom Oelsner: Wir konnten in einem Hackathon [Wortschöpfung aus „Hack“ und „Marathon“, eine kollaborative Soft- und Hardwareentwicklungsveranstaltung]herausfinden, dass unser Ansatz mit PAT als Support-Instrument für Menschen sofort Akzeptanz findet. Ich bin sicher, dass wir damit unsere Beratungsexperten deutlich entlasten können, da 60 bis 65 % der notwendigen Standard-Ratschläge von der KI übernommen werden können. Unsere Berater können dann ihren Fokus auf neue, ungewöhnliche oder sehr anspruchsvolle Dinge legen.
Was wird/soll sich aus dem Trainingsmodus von PAT noch speziell ergeben?
Tom Oelsner: Wir wollen vor allem sehen, wie effektiv und in welcher Form sich das Lernen auswirken und entwickeln kann. PAT muss dabei vor allem helfen, die Reichweite und Intensität unserer Beratungsleistung insgesamt zu steigern. Während wir hier sprechen, beobachtet PAT gleichzeitig rund 5.000 Maschinen.
Wenn auch PAT noch auf dem Niveau eines Schulkinds ist, wird sich durch die schiere Masse der Daten und die Güte der Regeln, die wir als Startmasse eingebracht haben, eine steile Lernkurve ergeben. Dadurch erhalten wir eine sehr starke Unterstützung der Beratung. Exakt zugeschnitten auf den Einsatz und Gebrauch von Druckmaschinen.
Vielleicht noch ein Blick auf den praktischen Einsatz und die Nutzung. Wie funktioniert das Arbeiten mit PAT?
Tom Oelsner: Das User Interface ist der Heidelberg Assistant. PAT schickt bei Auffälligkeiten eine ‚Notification‘, z. B. zu einer steigenden Zahl von Stoppern über einen definierten zeitlichen Verlauf. PAT gibt dann einen Detailblick mit einfacher Visualisierung auf Basis des Benchmark aus der Cloud mit der Peer-Group.
Abweichungen von der Norm-Linie werden farbig angezeigt. PAT zeigt auch geeignete Maßnahmen zur Auswahl an. Aus denen wählt der Nutzer aus und plant sie in seinen Performance Actions ein. PAT gibt auch konkrete Handlungsempfehlungen, z. B. sich ein Trainingsvideo anzuschauen zum Thema Air Check, sich mit dem Berater in Verbindung zu setzen etc.
Und die Vorteile für den Berater?
Tom Oelsner:Der Berater erhält einen objektiven Input aus technischen Parametern, kann sich auch den Maschinenlauf per Video anschauen. Und er erhält persönliches Feedback vom Kunden zur vorgeschlagenen und gewählten Maßnahme. Inklusive Feedback, wie der Kunde das beurteilt, ob gut, hilfreich oder nicht. PAT wird all das beobachten, bewerten und daraus lernen. Mit dem gemeinsamen Ziel: Immer besser werden!
Vielen Dank für das Gespräch. Ich freue mich, wenn wir auf der drupa 2020 mehr davon hören und sehen werden.
Zur Person
Foto: Andreas Weber
Tom Oelsner, Head of Innovation & Data Science bei der Heidelberg Digital Unit, treibt die Digital Services bei Heidelberg und seinen Kunden klug und umsichtig voran.
Er studierte an der Technischen Universität Dresden und schloss als Diplom-Informatiker ab. Seit 1990 war er für Linotype-Hell AG in verschiedenen Software-Entwicklungsbereichen/-Funktionen tätig. Seit 2002 entwickelte er als Program-Manager für Heidelberger Druckmaschinen AG die Remote Services/Heidelberg Cloud; 2008 wurde er Vice President Enterprise & Services und im Oktober 2010 SVP Sales Excellence Digitalisierungsprojekte. Seit Januar 2018 ist er COO der Heidelberg Digital Unit.
ÜBRIGENS
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