Einblicke, Entwicklungen und Marktszenario
Das Thema ‚Subskription‘ bzw. die Bedeutung und Relevanz der ‚Subscription Economy‘ hat weiter Fahrt aufgenommen und geht über den Ansatz neuer Abrechnungsmodelle weit hinaus. Es geht um den Kern der ‚Digitalen Transformation‘, die den Wandel von Unternehmen von Herstellern und Verkäufern von Produkten hin zu Anbietern von Dienstleistungen und umfassenden Lösungen beschreibt.
Führende Wirtschaft-Magazin greifen daher das Thema verstärkt auf; und erkennen, dass der Druckmaschinen-Sektor ganz vorne mitmischt. Im Umfeld der Bilanzpressekonferenz 2018/2019 von Heidelberg Druckmaschinen AG ergab sich die Gelegenheit, die vor rund einem Jahr per ValueDialog begonnene Konversation mit Vorstandsmitglied und Chef Digital Officer Prof. Dr. Ulrich Hermann zum aktuellen Stand und zur Zukunft von Subskription im Print-Sektor weiterzuführen.
Fazit: Es geht kräftig voran. Und es zeigt sich, dass die Subscription Economy die Ausweitung der Geschäftstätigkeit von Heidelberg und seiner Kunden in ganz neuer Dimension ermöglicht.
Interview: Andreas Weber, Head of Value | English Version
Was beschäftigt Sie gerade?
Dr. Ulrich Hermann: Das Interesse an Subskriptionslösungen ist nach wie vor erfreulich groß. Vor allem in der Industrie bewegt sich vieles. Grundlage hierfür ist die zunehmende Fähigkeit der Produkthersteller aus IoT, d. h. dem Internet der Dinge, ihre Geschäftsgrundlage mit ihren Kunden auf neue Füße zu stellen. Wenn man so will, kaufen Kunden Produkte vom Hersteller zur Lösung ihres Problems, das ich als ‚Verfügbarkeitsdilemma der Nutzung‘ bezeichne.. …
… was versteht man darunter?
Dr. Ulrich Hermann: Produkte werden ‚gekauft‘, um sie für den Fall der häufig ungeplanten und schwer vorhersehbaren Nutzung zur Verfügung zu haben. So stellten sich die Käufer ein Lexikon in das Regal, um darin zwei bis vier mal im Jahr etwas nachzuschlagen. Die Option der Mehrnutzung und das Problem, das zum Nachschlagen führte, rechtfertigte eine Investition von mehr als 1000 Euro in eine Lexikon Reihe! Als dieses Verfügbarkeitsdilemma, also die Grundlage, die zum Kauf des Lexikon führte, durch das Angebot von Wikipedia entfiel, verschwand die Geschäftsgrundlage für die Lexikonanbieter und für die Kunden das Bedürfnis ‚Wissen zu besitzen‘.
Was für Auswirkungen hatte dies?
Dr. Ulrich Hermann: Das hat seinerzeit viele in der Medienindustrie wachgerüttelt und man sieht, was hier alles passiert ist. Wenn man beobachtet, wie viele Dinge ungenutzt in der Gegend herumstehen, angefangen vom stehenden Verkehr bis zu den überfüllten Kühlschränken zu Hause. Da ist es nur zu offensichtlich, wenn nicht nur Inhalte, sondern auch Produkte im Zeitalter des Internets der Dinge ins Netz gehen. Die Produkthersteller müssen sich jedenfalls darauf einstellen, über die steigende Nutzung ihrer Produkte und nicht alleine über noch mehr Produktverkäufe wachsen zu können.
Das Internet oder besser gesagt die digitale Ökonomie der Dinge lässt das Verfügbarkeitsdilemma diffundieren?
Dr. Ulrich Hermann: Ganz genau. Auf der einen Seite werden Hersteller die Nutzung ihrer Produkte über die Internetanbindung ‚verstehen‘, diese mit Blick hierauf effektiver weiterentwickeln und ‚Nutzung‘ abrechnen können. Für den Nutzer ist das vorteilhafter, am Ende wird das Produkt besser ‚aus’-genutzt und daher ein maßgeschneidertes Investment, weil der Kunde durch nutzenabhängige Bezahlung nicht für ungenutzte Zeiten oder Funktionen zahlt und das Risiko der Nichtnutzung ganz oder zum Teil auf den Hersteller, wie bei Power by the Hour von Rolls Royce oder eben auf andere Mitnutzer, etwa bei Car Sharing, abwälzt.
Was ändert sich beim Kaufvorgang?
Dr. Ulrich Hermann: Wenn über Nutzung abgerechnet wird, fällt der eigentliche Grund des Produktkaufs, nämlich das Verfügbarkeitsdilemma, weg. Der Kunde zahlt nur, wenn er nutzt und nicht für die „Option“, das Produkt zu nutzen. Ein Hersteller, der sich beim Kunden über nutzenbasierte Geschäftsmodelle profiliert, gewinnt über kurz oder lang gegenüber dem Hersteller, der darauf baut, dass der Kunde das Produkt nur deshalb kauft, um die Produktverfügbarkeit selber zu managen, wenn er die Verfügbarkeit für den Kunden gegenüber dem Erwerb nicht vermindert und darüber hinaus die ungenutzten Produktressourcen senkt.
Welche Einfluß-Faktoren kommen hinzu?
Dr. Ulrich Hermann: Derzeit arbeitet die Industrie an künstlicher Intelligenz. Diese Fähigkeiten lassen Produkte untereinander selbst kommunizieren. Autos werden autonom fahren und seine Fahrgäste abholen, wenn Sie bestellt werden. Dann fällt das Verfügbarkeitsdilemma vollständig und der stehende Verkehr verschwindet. Was das für die Automobilhersteller bedeutet, müssen diese sich eben genau überlegen. Kühlschränke werden das Essen ihrer ‚Nutzer‘ nach den Konsumgewohnheiten selber bestellen. In den Alltag übersetzt bedeutet das: Supermärkte, die bislang Logistikzentren sind, werden sich zu Märkten wandeln, auf denen neue Lebensmittel ‚probiert‘ und auf die Bestellliste der Kühlschränke gelangen. Die Kassiererin steht dann als Lebensmittelspezialistin hinter einem Probiertisch, nicht am Fließband der Kasse. Wie ich finde, eine uns Menschen angemessenere Perspektive.
Das meint aber auch: Die durch das Internet getriebenen Veränderungen im Virtuellen erreichen jetzt auch die dingliche Welt?
Dr. Ulrich Hermann: Ja. Erstmalig verändert das Internet die dingliche Welt. Stehender Verkehr, Ampeln und Handys verschwinden, die Welt der Arbeit verändert sich — nicht nur im Supermarkt.
Welche Auswirkungen hat das auf die Print-Branche in dieser neuen digitalen Welt?
Dr. Ulrich Hermann: Es bedeutet primär ein Umdenken. Der Print-Markt ist ungeheuer groß und im Wertschöpfungs-Volumen seit langem konstant, auch wenn es Verschiebungen in einzelnen Teilmärkten gibt. Unsere Kunden müssen sich daher an den Kundensegmenten orientieren, die Wertschöpfung mit Print generieren. Wenn die Werbetreibende Industrie sich aus den Printmagazinen zurückzieht und man hält an dem Segment fest, wird es eng. Unternehmer der Printbranche mussten sich einem erheblichen Wandel stellen, weil sich die Medienindustrie in den letzten Jahren massiv transformiert hat. Was die Druckbetriebe erlebt haben, steht nun im Zeitalter des Internet der Dinge anderen Branchen, etwa der Automobilzuliefererindustrie, bevor.
Grafik: Aus dem Geschäftsbericht 2018/2019 von Heidelberger Druckmaschinen AG
Was raten Sie Druckerei-Unternehmern?
Dr. Ulrich Hermann: Die Kunst ist es eben, früh zu verstehen, wo der Bedarf von Print entsteht und hierfür Kunden zu werben und Fähigkeiten aufzubauen. Wer sich allein auf die Fähigkeit konzentriert, zu produzieren, der wird eine Disruption, wie sie die Printmedienindustrie erlebt hat, nicht überleben. Die Fähigkeit, Geschäft mit wandelnden oder gänzlich neuen Kunden aufzubauen, das ist die Kernkompetenz der Zukunft und vor allem der digitalen Zukunft, in der sich Märkte nicht verändern, sondern zum Teil disruptiv wandeln.
Welche Unterstützung bietet sich an, um diesen Wandel zu meistern?
Dr. Ulrich Hermann: Um unsere Kunden, die Druckbetriebe, bei der Entwicklung wandelnder Kundensegmente für ihr Geschäft den Rücken frei zu halten, haben wir unser Subskriptions-Modell geschaffen — wir nennen es ‚Heidelberg Subscription‘. Es bietet ein komplettes Produktionssystem. Das umfasst in der Regel die Druckmaschine, die dazugehörenden Verbrauchsmaterialien, die Software und alle Service- und Beratungsleistungen und der Druckbetrieb zahlt auf der Grundlage eines bereits wettbewerbsfähigen Produktivitätszustandes und eben für die ‚Nutzung‘, also pro Druckbogen.
Subskription als Treiber der Transformation. Welche Effekte bringt das mit sich?
Dr. Ulrich Hermann: Wir werden damit vom Verkäufer von Maschinen und für den Betrieb relevanter Produkte, zum Anbieter von Produktivität. Was wir verkaufen ist das Ergebnis einer idealen Konfiguration, die wir den ‚Smart Print Shop“ nennen, und nicht der Verkauf einzelner Komponenten. — Sollte der Produktivitätszustand unter den Durchschnitt der Vergleichsgruppe fallen, gibt es auch für Heidelberg kein Geschäft mit dem Kunden. Kunde und Heidelberg sitzen in einem Boot. Damit konzentriert sich der Druckbetrieb zunehmend mit allen Ressourcen und Investments auf die Markterschließung und Entwicklung. Ein erfolgreich wachsender Druckbetrieb ist nämlich ganz in unserem Sinne!
Welche Herausforderungen sind noch zu meistern?
Dr. Ulrich Hermann: Eine der größten Herausforderungen ist es, genau das, nicht Produkte, sondern ihr Ergebnis, im Markt zu verkaufen. Daher transformieren wir auch unseren Vertrieb. Wir werden ihn mit digitalen Technologien im Hinblick auf den Lösungsverkauf, die richtige Kundenansprache entlang der ‚Customer Journey‘, also vom Erstkontakt bis zum Abschluss, und für die Begleitung der für uns so wichtig gewordenen produktiven Betriebsphase effektiver machen.
Vielen Dank für das Gespräch.
Zur Person
Dr. Ulrich Hermann, Vorstandsmitglied und Chief Digital Officer der Heidelberger Druckmaschinen AG, ist ein ausgewiesener Experte für Digitalisierung und steuert die laufende digitale Transformation des Unternehmens. Als Mitglied des Vorstands von Heidelberg ist Hermann verantwortlich für alle Geschäfte im Zusammenhang mit Lebenszykluslösungen (Life Cycle Solutions), Dienstleistungen, Software und dem Vertrieb sowie die Heidelberg Digital Unit als zentrale Marketing-Organisation und InnovationLab. Insgesamt erzielt Heidelberg in diesem Bereich bereits mehr als 1 Milliarde Euro Umsatz bei nachhaltig profitablem Wachstum.
Zur Vita: Nach dem Maschinenbaustudium promovierte Hermann 1996 in Betriebswirtschaft in St. Gallen und wurde kürzlich zum Honorarprofessor an der Universität Allensbach berufen. Seine berufliche Laufbahn startete er 1997 in verschiedenen leitenden Positionen bei der Bertelsmann AG.